Lernen, wie man mit der Flinte richtig sieht!“


Interview mit CPSA Senior Coach Gregor Schmidt-Colberg

Ausgabe 2/2013

Interview mit CPSA Senior Coach Gregor Schmidt-Colberg

„dieflinte“: Herr Schmidt-Colberg, ich freue mich sehr, dass Sie uns für dieses Interview zur Verfügung stehen. Herzlichen Dank! Sie sind der dienstälteste CPSA (Clay Pigeon Shooting Association) Senior Coach in Deutschland, richtig? Und einer der wenigen hauptberuflichen Flintentrainer in unserem Land, oder sogar der Einzige?

Schmidt-Colberg: Als ich 1998 meinen ersten Coaching Course bei der CPSA besuchte, war ich meines Wissens bis dato der erste Deutsche dort. Möglicherweise war ich dann auch der erste Deutsche, der das ganze Schema bis zum CPSA Senior Coach durchlaufen hat. Ob ich nun der Einzige bin, der das so macht, kann ich gar nicht sagen. Es kommt auch nicht darauf an. Wesentlich ist, dass man an der Entwicklung seiner Kunden erkennen kann, ob man mit seiner Arbeit etwas bewirkt – also die Probleme löst. Ansonsten wäre es auf die Dauer unbefriedigend. – Und wohl auch nicht erfolgreich.

„dieflinte“: Wie sind Sie denn selbst an das Flintenschießen gekommen und wie lange schießen Sie schon Flinte?

Schmidt-Colberg: Das Schießen im Allgemeinen hat mich schon als Teenager interessiert. Das erste Mal Flinte habe ich während eines Amerika-Sprachaufenthalts in Texas geschossen. Später habe ich sporadisch Flinte sportlich geschossen. Intensiver wurde es dann mit der Jagdausbildung.

„dieflinte“: Wie kamen Sie an die CPSA?

Schmidt-Colberg: Während einer Jagdreise nach Schottland fiel mir schon Anfang der 90er-Jahre auf, dass dort Flintenschießen wesentlich systematischer praktiziert wird. Mir wurde damals klar, dass bei uns in Deutschland das Know-how für ein transparentes Coachingsystem im Flintenschießen in der Breite nicht bekannt ist – in England aber sehr wohl. Das hat mich interessiert – zunächst rein technisch. Ich habe mich dann über meinen englischen Jagdversicherer erkundigt und bin schließlich auf die CPSA, die eine Trainer-Scheme anbietet, gestoßen.

„dieflinte“: Wollten Sie von vornherein Trainer werden oder wollten Sie sich „nur“ als Flintenschütze fortbilden?

Schmidt-Colberg: Anfänglich hatte ich gar nicht angestrebt, die Tätigkeit als Trainer hauptberuflich auszuüben. Mit der Zeit  – es hat einige Jahre genommen – ist es dann so gekommen.

„dieflinte“: Wie lange hat Ihre Ausbildung gedauert und seit wann sind Sie als Flintentrainer tätig?

Schmidt-Colberg: Die einzelnen Kurse bei der CPSA sind ja jeweils nur vier Tage lang – aber sehr intensiv. Es ist ratsam, bis zur nächsten Kursstufe fleißig das Coaching zu praktizieren und die CPSA empfiehlt, zwölf Praxis-Monate bis zum nächsten Kurs verstreichen zu lassen. Sonst kann es in der nächsten Stufe Schwierigkeiten geben. Bei den Unterrichtsproben am Ende des Kursabschnittes wird schon genau hingesehen, was die Traineranwärter im Einzelnen tun. Die Tatsache, dass man in der eintägigen Unterrichtsprobe die Schüler zugelost bekommt und man auch die Referees noch nie vorher zu Gesicht bekommen hat, macht es notwendig, dass man was vorweisen kann – sonst gibt es kein Zertifikat. Meinen letzten offiziellen CPSA-Kurs habe ich dann 2003 besucht. Aber schon seit 1998 habe ich immer drei Tage die Woche gecoacht. Auf dem kleinen Schießplatz im amerikanischen Rod & Gun Club in Kitzingen. Dort war es immer zweisprachig, was mir dann auch für die CPSA-Kurse gutgetan hat. Seit gut sieben Jahren bin ich hauptsächlich auf dem Schießstand Bockenberg bei Regensburg tätig. Dort kann ich arbeiten und einen Schützen entwickeln, wie man es auch in England in den bekannten Schießschulen tun kann. Die ständige Praxis mit der CPSA-Ausbildung als guter Basis eröffnete mir mit der Zeit eine gewisse Weiterentwicklung. Meine Fähigkeiten zu beobachten, zu analysieren und auch sprachlich die Vorgänge zu beschreiben, entwickeln sich eigentlich ständig weiter. Das finde ich außerordentlich spannend. Außerdem bin ich mittlerweile überzeugt, dass es sehr sinnvoll ist, mehrere Methoden (Pull away, Maintained lead etc.) je nach Erfordernis nebeneinander zu stellen und zu unterrichten. Die CPSA ist da etwas rigoroser auf Pull away fixiert. Außerdem hat das Sehen des Schützen in meinem Unterricht einen erheblich breiteren Raum eingenommen.„dieflinte“: Was meinen Sie genau, wenn Sie sagen, das „Sehen des Schützen“ habe in Ihrem Unterricht einen breiteren Raum eingenommen?Schmidt-Colberg: Für Schützen ist das Sehen das Steuerungselement seiner Bewegungskoordination. Deswegen muss zunächst gelernt werden, wie man „mit der Flinte richtig sieht“. Dafür wiederum müssen dem Schützenanfänger deutliche Informationen übermittelt werden. Dazu gehören zum Beispiel Themen wie das der Augendominanz, der richtigen Schäftung (die kann nämlich das Sehen behindern) und die Mechanismen der Auge-Hand-Koordination. Die ganzen sogenannten Methoden des Flintenschießens (Pull away, Maintained lead, Swing through, Move, Mount, Shoot) sind unvollständig beschrieben, wenn nicht gleichzeitig eine Beschreibung der simultan damit verknüpften Sehvorgänge erfolgt. Oder anders ausgedrückt: Was macht das Auge, wenn der Schütze die Flinte – mit welcher Methode auch immer – zum Ziel bewegt.„dieflinte“: In unserer ersten Ausgabe sagte Gerrit Wülpern: „Achte auf deinen Trainer!“ Er wollte damit ausdrücken, dass man im Flintenschießen schnell vorankommen kann, wenn man die richtigen Leute an seiner Seite hat, aber auch leicht auf Irrwege geraten kann, wenn man sich den falschen Beratern anvertraut. Wie soll denn ein Anfänger im Flintenschießen unterscheiden, wer ihm besser helfen kann und wer eher weniger? Schmidt-Colberg: Sobald ein Trainer einem Schützen die notwendigen Bewegungsabläufe tatsächlich richtig beschreiben und ihn dabei in der erforderlichen Weise anleiten kann, spürt der Schütze konkret und sehr schnell, ob hier ein positiver Ablauf in Gang gesetzt wird. Die Trainerleistung wird dann in der jeweiligen Situation zügig einen individuellen Erfolgsschub beim Schützen bewirken. Der Schütze kann seinerseits einen Zusammenhang zwischen Anleitung, seiner Bewegung und dem Erfolg erkennen. Und zunehmend eigene Bewegungsfehler erspüren lernen, sobald er die Abläufe komprimiert. Die Autorität des Trainers gegenüber seinem Schüler beruht allein auf diesem Fundament. „dieflinte“: Selbst gut schießen zu können und ein erfolgreicher Ausbilder zu sein sind wohl zwei sehr verschiedene Dinge?Schmidt-Colberg: Wie bei allen Sportarten ist nicht jeder Olympiasieger Trainer oder ein Trainer automatisch Olympiasieger. Das jeweilige Lager benötigt im Einzelfall eine spezielle Art der Vorbereitung. Es wäre reichlich naiv, etwas anderes anzunehmen.„dieflinte“: Im Laufe der langen Jahre Ihrer Tätigkeit als Coach sind unendlich viele Erfahrungen mit all den Menschen hinzugekommen, die Sie unterrichtet haben. Kann man sagen, dass Letzteres heute für Ihre Arbeit bedeutungsvoller ist als ihre ursprüngliche Ausbildung?Schmidt-Colberg: Die CPSA-Ausbildung hat in vielerlei Hinsicht die Weichen gestellt, die Sinne geschärft und didaktisch den Weg bereitet. Sie lieferte eine objektiv richtige Struktur und ermöglichte in Folge korrekte Einordnungen. Mit richtiger Struktur meine ich – um nur ein Beispiel herauszugreifen – Klarheit über den objektiv richtigen Ablauf einer Anschlagsbewegung – Wie funktioniert das? Wann ist die Bewegung richtig, wann ist sie falsch? Wie leite ich einen Schützen dazu an? Wie wird er berichtigt, wenn er dabei Fehler macht? Gibt es eventuell Unterschiede bei einem Anschlag auf Boden- oder Flugziele? Die CPSA lieferte hier zweifelsfreie Antworten, die auch zwischen Flensburg und München gültig sein können. Im Verbund mit den in den Jahren gemachten Erfahrungen und der dabei gewonnenen Routine konnte diese Struktur wachsen und erweitert werden. Das jetzige Niveau meiner Arbeit beruht auf diesen beiden Säulen. „dieflinte“: Ein Flintentrainer muss die Fähigkeit besitzen, zu sehen, was sein „Schüler“ tut, welche Fehler er macht, was die Ursachen sind – wenn er ihm helfen will, wenn er dessen Probleme lösen will. Können Sie beschreiben, welche charakterlichen und persönlichen Eigenschaften ein Coach besitzen muss?Schmidt-Colberg: Ich brauche als Trainer fachliches Grundwissen, analytische Denkfähigkeit und die sprachliche Begabung, Dinge beschreiben zu können – sodass die auch beim Gegenüber korrekt ankommen. Dabei muss man immer wieder neue Wege der Formulierung finden, um verstanden zu werden. Wir erinnern uns vielleicht noch an die Sprachmodelle aus der Schulzeit. Oder an Austins Theorie der Sprechakte – How to do things with words. Im Moment entdecke ich übrigens auch die Nützlichkeit gewisser pantomimischer Grundfähigkeiten. Man braucht ein gewisses Maß an Freundlichkeit, Einfühlsamkeit, Geduld, Menschenliebe und Altruismus – und letztlich kann es nicht schaden, ein wenig unterhaltsam zu sein.„dieflinte“: Sind das dieselben Eigenschaften, die ein erfolgreicher Wettkampfschütze aufweisen muss?Schmidt-Colberg: Der Wettkampfschütze muss eher mit sich selbst beschäftigt sein. In der Wettkampfsituation ist er der große Egozentriker, der seine Umgebung dominiert und dabei, auf seine Leistung fixiert, die anderen Teilnehmer ausblendet. Der Trainer im Flintenschießen ist dagegen fürsorglich darauf bedacht, dass alle die Ziellinie erreichen. „dieflinte“: Wenn man sich auf den Schießständen umsieht, kann man zuweilen beobachten, dass versucht wird, andere „verächtlich zu machen“. In der Tat trifft man in der Flintenschießausbildung manchmal einen „Kasernenton“ und militärischen Drill an. Ist das ein Weg, um jemandem das Flintenschießen beizubringen? Von der Freude und Faszination am Flintenschießen will ich jetzt gar nicht reden, sondern die Frage ist, funktioniert das: jemanden „runter zu machen“, um ihn dadurch zur Leistung anzustacheln?Schmidt-Colberg: Millitärischer Drill ist ja nicht unbedingt per se was Schlechtes. Drill kann nützlich sein, um einen reibungslosen Ablauf einzutrainieren. Absurd wird es jedoch, wenn ein Drill mit dem falschen Ablauf praktiziert wird. Anbrüllen oder Mechanismen des Verächtlichmachens sind meist Ausdrucksformen von Hilflosigkeit. Sie mögen beim Gegenüber manchmal Trotz hervorrufen, zu oft aber Resignation und Einschüchterung. Als langfristige Motivationsgeber sind diese Methoden bei einer zivil geprägten Jäger­ausbildung/Flintenschießausbildung sicher abzulehnen. Ein Grundsatz kann hier nur sein: Jeder Einzelne muss da abgeholt werden, wo er steht und entsprechend seiner Fähigkeiten individuell weiterentwickelt werden. „dieflinte“: Sie gehören offensichtlich zu den glücklichen Menschen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Jedoch andere Menschen zu einer Leistung zu führen, sie aufzubauen und zu einem Ziel zu bringen, stellt hohe psychische und mentale Anforderungen an Sie als Trainer. Müssen Sie manchmal Ihre „Batterien“ gezielt aufladen? Was machen Sie, wenn Sie nicht auf dem Schießstand sind? Haben Sie noch andere Hobbys, die Sie pflegen?Schmidt-Colberg: Nun, mein Hobby war es mal, auf den Schießplatz zu gehen und für mich Flinte zu schießen. Mit meiner jetzigen Arbeit bleibe ich zwar in der allgemeinen Thematik, aber Coaching ist schon was ganz anderes. Da bin ich – manchmal stundenlang – konzentriert auf mein jeweiliges Gegenüber und bin ganz anders gefordert. Außerdem habe ich regelmäßig diverse Organisationsarbeiten zu erledigen, die natürlich niemand sieht, – ich muss mich zum Beispiel um Ausrüstungsfragen kümmern, Webseiten pflegen, Schießplätze anfahren, usw. Daraus entstehen die üblichen Zwänge und Anforderungen eines normalen Arbeitslebens. Zum Ausgleich betreibe ich seit ein paar Jahren regelmäßig Radsport, fotografiere und koche ganz gerne. Ein freies Wochenende habe ich nicht immer, aber doch immer wieder, der eine oder andere unterrichtsfreie Tag macht mich dann wieder fit. Aber das schafft eigentlich auch ein erfolgreicher Unterrichtstag, an dem die Schüler spürbar was gecheckt haben und so etwas Positives mit nach Hause nehmen. Das Gefühl – etwas zu bewirken – ist mein stärkster Muntermacher. „dieflinte“: Herr Schmidt-Colberg, herzlichen Dank für den tiefen Einblick, den Sie uns in Ihre verantwortungsvolle Arbeit gegeben haben! Haben Sie noch eine „Schlussbotschaft“, die Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben wollen? Ein persönliches Anliegen? Etwas, das Ihnen persönlich sehr wichtig ist? Eine Warnung, was wir nicht tun sollten? Einen Wunsch, wie sich unsere „Szene“ weiterentwickeln sollte?

Schmidt-Colberg: Eine wirkliche Weiterentwicklung der Flintenschützen-Szene wird es meines Erachtens nur geben, wenn es gelingt, ein objektiv geeignetes System des Unterrichtens zu etablieren, welches interessierte Personen an das Flintenschießen didaktisch richtig heranführt. So ähnlich wie es die CPSA in England zum Beispiel macht. Die Verbände sind in meinen Augen seit Jahrzehnten damit in Verzug.
Es fehlt ihnen leider an Übersicht, Einsicht und Initiative. Schließlich müsste es gelingen, genügend Schießplätze zu erhalten beziehungsweise möglichst auch neue Plätze zu errichten.

Das Interview wurde geführt von Detlef Riechert
Fotos: Gregor Schmidt-Colberg
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