Legenden der Waffentechnik – John Moses Browning und seine Auto-5


Die Flinte Ausgabe 2/2014

John Moses Browning wurde am 23. Januar 1855 in Ogden, Utah, als Sohn eines Büchsenmachers geboren. Im zarten Alter von 13 Jahren baute er aus Ersatzteilen eine Büchse für den Geburtstag seines Bruders. Er war gerade mal 24 Jahre alt, als die US-Behörden ihm sein erstes Patent erteilten. Im Laufe seines Lebens waren es insgesamt 128 Patente zur Waffentechnik, die ihm verliehen wurden. Er starb am 26. November 1926 in Lüttich, Belgien. Es war eine besondere Geschichte, warum sein Leben nicht in den USA, sondern in Europa endete. Lesen Sie, wie es dazu kam. Das Leben von John Moses Browning: spannend, packend, begeisternd, fesselnd, mitreißend! 

Schicksalhafte Begegnungen 

JOHN MOSES BROWNING

Das Leben von John Moses Browning ist auf das Engste verwoben mit den Firmen Winchester in den USA und der FN Fabri-que Nationale in Europa. Browning war in seinem Herzen kein Unternehmer, obwohl er einiges „unternommen“ hat. Vor allem war er ein genialer Erfinder, Tüftler und Konstrukteur. Seine Entwicklungen wirken bis zum heutigen Tag. Von ihm entworfene Waffen sind immer noch weltweit in Gebrauch.  

Wenn man mit anderen Menschen über „Browning“ spricht, stellt man gelegentlich eine gewisse Unsicherheit fest hinsichtlich der Fragen, ob das nun ein europäisches oder ein amerikanisches Unternehmen ist, wer zu wem gehört und wo was produziert wird. Die Person Browning, das Unternehmen Browning, die Fabrique Nationale oder kurz FN, sie fließen in der Wahrnehmung manchmal ineinander. Kein Wunder, die Geschichte ist auch einigermaßen komplex! Wie zu allem Überfluss taucht auch noch der Name Winchester in diesem Zusammenhang immer wieder auf. Das Leben von „John Mose“ (das „s“ habe ich nicht etwa vergessen), wie er von seiner Familie liebevoll genannt wurde, war vielseitig verflochten. Wenn ich in die Vergangenheit von John Moses Brown-ing eintauche, verspüre ich einen steten Drang, mehr erfahren zu wollen. Ich habe viele Jahre für das Unternehmen Browning in Belgien gearbeitet. Für Sie, unsere Leser, möchte ich gerne die Geschichte eines großen Mannes in seinen wichtigsten Stationen aufzeichnen. 

Wer nun denkt, die Verflechtung von Personen und Firmen gehe auf raffinierte Aktienkäufe an heißen Börsentagen zurück, wie das heutzutage oft der Fall ist, der ist in diesem Falle von der Wahrheit so weit entfernt wie der Kilimandscharo von Herstal. Klar haben wir es heute mit einem komplizierten Geflecht aus Besitz und Beteiligungen zu tun, aber entstanden ist das alles über mehr als ein Jahrhundert durch Begegnungen von Menschen und indem sich die Wege schicksalhaft kreuzten. Menschen bewegten die Zeit, und nicht die Zeit die Menschen.  

Es war einmal vor vierhundert Jahren … 

Schauen wir vierhundert Jahre zurück, in das Jahr 1622, als der englische Kapitän John Browning an Bord der Abigail Nordamerika erreichte und sich mit den ersten Siedlern in Virginia niederließ. Später, im Jahre 1780, zog Edmund Browning, der Großvater von John Moses, als Siedler ins wilde Tennessee nach Brushy Fork und errichtete dort eine Farm. Sein Sohn Jonathan gründete eine Büchsenmacherei, „emigrierte“ – so würde man heute sagen – 1834 nach Quincy, Illinois, wo er einen neuen Waffenbetrieb aufbaute. Er wurde außerdem Friedensrichter und machte als solcher die Bekanntschaft eines jungen Mannes namens Abraham Lincoln, der später Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wurde. Durch einen mormonischen Missionar bekehrt zog Jonathan später mit seiner Familie und seinen Werkzeugen nach Nauvoo, 43 Meilen nördlich von Quincy. Nauvoo war 1839 unter der Führerschaft des Propheten Joseph Smith von den Mormonen gegründet worden. Als Smith ermordet wurde, mussten die Mormonen 1846 unter Gefahr für Leib und Leben fliehen. Sie überquerten den Mississippi und zogen gen Westen. Jonathan ließ sich zunächst als Büchsenmacher in Kanesville (Council Bluffs), Iowa, nieder. Er zog 1852 weiter nach Utah, wo er in Ogden seinen Beruf fortsetzte, sich aber im Laufe der Zeit mehr der allgemeinen Mechanik zuwendete, um die Bedürfnisse der dortigen Kundschaft zu befriedigen. Schon auf Jonathan Browning gehen einige Erfindungen zurück – seine bekannteste war die Repetier-Büchse „Harmonica“.  

Die Firma Browning North America hat übrigens heute noch ihren Sitz in Utah, in Morgan, nur 45 km entfernt von Ogden. In den Vereinigten Staaten haben sich die Mormonen im Laufe der Zeit fast ausschließlich im Staat Utah angesiedelt, welch enge Verknüpfung des Unternehmens mit der Geschichte der Familie und ihrer Religion bis zum heutigen Tag!  

Eine Kindheit, wie sie sich ein Junge wünscht! 

Am 23. Januar 1855 erblickte in Jonathan Brownings Haus in Ogden ein Junge das Licht der Welt. Das Leben des kleinen John Moses begann in einem Winter in Utah, in einer kargen Umgebung, wie es durchaus möglich sein könnte. Niemand konnte damals wissen, dass dieser Junge die Welt der Waffentechnik revolutionieren würde. Oder ahnen, dass 150 Jahre später sogar im fernen Europa Menschen respektvoll seinen Namen nennen würden. Der Bub wuchs an der Seite seines Vaters in dessen Werkstatt auf, wo er sich natürlich mehr und lieber aufhielt als in der Schule. Schon mit zehn Jahren stand er an der Werkbank, beobachtet und assistiert von seinem jüngeren Bruder Matt. Draußen vor der Tür wurden die Gewehre auch gleich ausprobiert. In dieser Umgebung, unter diesen Umständen wuchs der geniale Konstrukteur und Erfinder John Moses Browning heran. Mit 13 Jahren schenkte ihm jemand ein defektes und nicht mehr zu gebrauchendes Gewehr: „Wenn du das reparieren kannst, darfst du es behalten.“ John Moses brauchte einige Monate, aber er hat es geschafft. Es war die erste Waffe, die er mit seinen Händen baute. Als sie fertig war, schenkte er sie seinem Bruder Matt.  

Der Bau der Eisenbahn 

Mit dem Bau der Eisenbahn – die Verbindung zwischen Ogden und Salt Lake City wurde 1870 fertiggestellt – erhielt der Handel der Familie Browning eine ganz neue Basis. „Jetzt gehört die Zukunft uns!“, – mag John Moses beim Anblick der einfahrenden Dampflok im Bahnhof von Ogden gerufen haben. In unseren Zeiten bestellt man online eine Ware, die in ein oder zwei Tagen von Frankreich nach Deutschland geliefert wird. Darüber denken wir gar nicht mehr nach. Damals – das ist nicht einmal 150 Jahre her, verglichen mit der Geschichte der Menschheit ist das nur ein Atemzug – entschied der Bau der Eisenbahnlinie über die Zukunft der Menschen, die dort lebten. Wäre die Eisenbahn zu der Zeit nicht gebaut worden, sondern 50 Jahre später, hätte das Leben der Menschen in Ogden und damit auch das von John Moses Browning wahrscheinlich eine andere Entwicklung genommen. Obwohl John Moses Browning seine Patente vermutlich genau so entwickelt hätte, nur mit der Vermarktung wäre es weitaus schwieriger geworden.  

Die Gründung der Firma Browning 1878 

Vater Jonathan übertrug seinem Sohn John Moses bald die Geschäfte. Der sollte seine Brüder im väterlichen Betrieb mitarbeiten lassen. John Moses war eines von 22 Geschwistern. In die Fußstapfen des Vaters als Büchsenmacher traten außer John Moses seine vier Brüder Matt, Ed, Sam und George. 

Einige Jahre später war die Werkstatt zu klein geworden, nicht nur räumlich. John Moses gründete mit seinen Brüdern die Firma J. M. Browning & Co. Das war im Jahre 1878 – welches als das offizielle Gründungsjahr der Firma Browning in die Geschichte einging. 

1879 wurde sein erstes Patent Nr. 220.271 – für eine Einzelhinterlader-Büchse – erteilt. Im selben Jahr heiratete John Moses Browning Rachel Theresa Child. 

Am Sterbebett seines Vaters versprach John Moses, dessen Werk fortzusetzen. Nun war John Moses das Familienoberhaupt. Im Verkehrsknotenpunkt Ogden wuchs die Firma zum größten Waffenreparaturzentrum im Westen zwischen Omaha (Nebraska) und der Pazifikküste heran. Man errichtete ein neues Gebäude und installierte eine Dampfmaschine, um die Einzellader-Büchse selbst herzustellen. 1880 war es so weit, dass man die Arbeiten im neuen Gebäude aufnehmen konnte. Bruder Matt war der Kaufmann und hatte ehrgeizige unternehmerische Ambitionen. Man handelte bald auch mit Munition, Zelten, Angel- und Sportgeräten. John Moses aber vertiefte sich mehr und mehr in seine Erfindungen, er brachte immer wieder neue Ideen zur Welt, und das in kürzer werdenden Abständen.  

Browning und Winchester  

Bald wurde man bei Winchester auf die erfolgreichen Browning-Brüder aufmerksam. Mr. Bennet, Vizepräsident und Geschäftsführer der Winchester Repeating Arms Company, setzte sich in den Zug und fuhr von der Ostküste nach Ogden in Utah, um John Moses kennenzulernen. Winchester kaufte schließlich die Produktionsrechte an der Einzellader-Büchse (Fallblock mit Unterhebel). Im Gegenzug wurde Browning in den Vertrieb der Winchester Waffen und Sportartikel eingebunden. Die Einzellader-Büchse erhielt den Namen „Winchester 1885“.   

1884 schloss Browning die Entwicklung eines Unterhebelrepetierers ab, der die berühmteste Waffe seiner Art in Amerika werden sollte. John Moses und Matt reisten zur Firma Winchester, um die neue Büchse vorzustellen. Damit begann der Siegeszug der legendären „Winchester 1886“.  

Zwischen 1883 und 1887 kaufte Winchester 20 Patente von Browning.  

Eine Weiterentwicklung der „Winchester 1886“ ist die „Winchester 1894“, die erste Repetierwaffe für rauchschwaches Pulver, oder kurz „Winchester 94“ genannt. John Moses Browning meldete das Patent für diese Waffe im Jahre 1894 an. Sie wurde einer der größten Erfolge der Firma Winchester. Sie wurde bis 2006 von Winchester gebaut. Seit 2011 wird das Modell M94 von Miroku in Japan produziert. Die „Winchester 94“ ist eine solche Legende, dass man „Winchester“ sagt, wenn man irgend einen Unterhebelrepetierer meint, so wie man „Jeep“ sagt, wenn man von einem Geländewagen spricht, auch solchen, die nicht von der Firma Jeep gebaut wurden.  

Ein tiefgläubiger Mormone  

Von 1887 bis 1889 arbeitete John Moses Browning als Missionar für die Mormonen in Georgia, auch das verdient eine ganz besondere Erwähnung. Jemand steht mitten in einer Bilderbuchkarriere und nimmt sich eine Auszeit, wie wir heute sagen würden, von zwei Jahren. Zwei Jahre! Das macht man doch nicht, ist man geneigt zu denken. Was hätte der in der Zeit alles für seine Firma tun können? – möchte man auszurufen. Die Auszeit hat John Moses jedoch offensichtlich weder geschadet noch hat sie seinem außergewöhnlichen Leben in irgendeiner Weise Abbruch getan. Im Gegenteil, vielleicht hat gerade eine Auszeit seine Kreativität und seinen Einfallsreichtum beflügelt?  

Gras und Gas  

Nach Hause zurückgekehrt, fand auf einem Schießstand zu seinen Ehren ein Fest des Schützenclubs statt. Browning beobachtete einen im Liegen schießenden Schützen und bemerkte, wie stark sich das Gras vor dem Schützen durch den Schuss bewegte. Nichts Außergewöhnliches, auch damals nicht, aber genau in diesem Augenblick mag es John Moses durch den Kopf geschossen sein: Warum ist dieser Gasdruck verloren, warum nutzen wir ihn nicht? Die Idee war geboren, einen Teil des Gasdruckes für den Ladevorgang einer Waffe zu gebrauchen. 1890 meldete Browning ein Patent für das Prinzip des Gasdruckladers an. 1892 folgte sein Patent für ein vollautomatisches Maschinengewehr. 

Erstes „Fremdgehen“ 

Nein, nicht was Sie jetzt denken! John Moses Browning war unheimlich kreativ. Bis zu drei neue Waffen im Monat entwickelte er. Irgendwann begann er sich darüber zu ärgern, dass Winchester zwar alle seine Patente kaufte, aber die meisten gar nicht produzierte. Wollte Winchester verhindern, dass Browning seine Patente an Konkurrenten verkaufte? Er begann sich auch anderweitig zu orientieren. Colt baute das Maschinengewehr COLT Mod. 1895, das von der U.S. Army eingeführt wurde.  

Eine Pistole im Land der Revolver  

Brownings Fleiß war unaufhaltsam. Er begann, eine Pistole zu konstruieren. Die ersten Prototypen gefielen ihm nicht. Sie waren zu groß und zu schwer. Eine kleine, handliche Taschenpistole schwebte ihm vor. Eine erste Patentanmeldung für eine halbautomatische Pistole geschah 1895. 

Der Anfang in Europa  

Ein Zufall der Geschichte führte die Fabrique Nationale in Belgien und John Moses Browning im Jahre 1897 zusammen. Hart O. Berg, kaufmännischer Direktor der FN, reiste durch die USA und studierte die Neuigkeiten im Bau von Fahrrädern. Ja, Fahrräder! Berg hatte schon von Brownings Patenten gehört, und als er ihn im Hause Colt zufällig traf, sprach er ihn höchst interessiert auf die Entwicklung der Selbstladepistole an. Das war sozusagen die Geburtsstunde einer europäisch-amerikanischen Liaison, die bis zum heutigen Tage besteht. Der Vertrag zur Fertigung der Browning-Pistole in Europa wurde 1897 unterzeichnet. 1899 begann die Produktion der Pistole  Modell 1900. Sie kostete damals 30 Belgische Francs. Bis 1910 wurden 724.450 Stück gefertigt. Der belgische Staat rüstete 1900 seine Offiziere mit dieser Pistole aus.   

Die Automatic-5 und die FN 

Seit 1898 arbeitete John Moses Browning an einer halbautomatischen fünfschüssigen Flinte. Er testete sie, wie alle seine Entwicklungen, persönlich mit tausenden Patronen, bis die Mechanik perfekt funktionierte. 1900 meldete Browning die ersten Patente der Auto-5 an. 

Er bot die Selbstladeflinte, wie ja die meisten seiner Erfindungen, der Firma Winchester zur Produktion an. Dort war man der Meinung, dass Browning mit dieser Konstruktion der Zeit weit – viel zu weit – voraus sei, und es keinen Käufermarkt für das Produkt derzeit gebe. Man solle sich in einigen Jahren noch mal darüber unterhalten. John Moses Browning gab nicht auf. Er reiste mit seiner Flinte zu Remington Arms, um den Präsidenten Mr. Hartley zu treffen. Während Browning in einem Vorzimmer wartete, starb der Remington-Präsident ganz plötzlich in seinem Büro. Welches Zusammentreffen von Ereignissen! Welch schicksalhafte Fügungen! Andere hätten an dieser Stelle möglicherweise aufgegeben. Vielleicht hatten die Winchester-Leute doch recht, vielleicht war es wirklich zu früh. Vielleicht gab es tatsächlich keinen Markt für dieses Gewehr. Solche Gedanken waren John Moses Browning offensichtlich fremd. Er war leidenschaftlich, passioniert, überzeugt von seinen Entwicklungen. Als durchsetzungsstark würden Personalberater ihn heute beschreiben. Browning wusste einen Ausweg und ging ihn, um seine revolutionäre Flinte doch noch produzieren zu lassen: bei den Belgiern! Sie produzierten doch seine Pistole mit großem Erfolg! Im Februar 1902 traf Browning in Lüttich  ein, wo er von Direktor Henri Frenay herzlich empfangen wurde. Am 24. März 1902 wurde in den Büros der FN ein weiterer Vertrag geschlossen. Browning blieb zunächst in Lüttich, um persönlich die Einführung der Nullserie der „L’Automatique Cinq Coups“ – Automatic 5 Schuss – zu überwachen und zu unterstützen. Er gab 10.000 Exemplare für den Verkauf in den USA in Auftrag, die innerhalb eines Jahres verkauft wurden. Bis 1975 produzierte die FN drei Millionen Stück. Namensmäßig wurde aus der Automatic 5 Schuss die Automatic 5 und dann kurz die Auto-5. 

Selbst heute noch gibt es mittelständische Firmen in den USA, die nicht im Traum daran denken würden, nach Europa zu exportieren, geschweige denn dort etwas produzieren zu lassen. Warum auch, Amerika ist groß genug. Browning konnte damals nicht mal eben einen Linienflug zum Spartarif nach Brüssel buchen! Dass er sich dennoch aufgemacht hat nach Lüttich, zumal zwei Versuche mit namhaften Waffenherstellern – Winchester und Remington – in Sachen Auto-5 fehlgeschlagen waren, erzählt uns ein bisschen von der Leidenschaft, mit der John Moses Browning unterwegs war.  

Die Auto-5 war die erste halbautomatische Flinte, die in hohen Stückzahlen und mit großem kommerziellen Erfolg produziert wurde. Die Vorstellung des Prototyps 1902 war Brownings erster Besuch der FN, die damals einfach einen besseren „Riecher“ hatte als Winchester.

Amerikanisch-Europäische Zusammenarbeit  

Weitere Verträge zwischen Browning und der FN folgten: 1903 Pistole Grand Modèle Kal. 9 mm, 1905 Pistole Kal. 6,35 mm, 1910 Pistole „Modèle 10“ Kal. 9 mm, 1914 Selbstladebüchse Kal. .22. Der Leopold-Orden verlieh John Moses Browning im Jahre 1914 das Ritterkreuz. 

Die Zeit des Ersten Weltkrieges von 1914 bis 1918 verbrachte Browning in den USA in Ogden. Die FN fiel in die Hände der Besatzungsmacht. Das Browning-Maschinengewehr .30 wurde in der US-Army eingesetzt. 1917 entwickelte John Moses ein automatisches, gasdruckgeladenes Gewehr, das ebenfalls in der US-Army eingeführt wurde und an der Front in Frankreich seinen Einsatz fand. Die Entwicklung des Maschinengewehrs .50 wurde gegen Ende des Ersten Weltkrieges fertiggestellt.  

Nach dem Krieg unternahm Browning zahlreiche Reisen nach Lüttich, um dort jeweils für längere Zeit zu arbeiten. Insgesamt reiste er 61-mal nach Belgien. Vielleicht hat er sich am Ende seines Lebens ein bisschen als Europäer gefühlt. 

Lange nach der Auto-5 begann er mit der Entwicklung einer Bockdoppelflinte.  

Bemerkenswert ist auch, dass John Moses Browning im Jahre 1907 der FN das Recht gab, seinen Familiennamen als Markennamen zu verwenden. Eine solche Erlaubnis hat Browning den amerikanischen Firmen nie gegeben, auch denen nicht, die seine ersten Erfindungen produzierten.  

Tod in der FN 

John Moses Browning starb am 26. November 1926 in seinem Büro in der FN in Belgien an einem Herzinfarkt. Das Leben eines großen Amerikaners endete in Europa. Brownings Leben war so aktiv, so reich und bunt, dass die Ausführungen hier weit von der Vollständigkeit entfernt sein müssen. Nicht einmal alle Meilensteine können in diesem Rahmen aufgezeigt werden. Browning hat viele, viele weitere Waffen und Waffentypen erfunden, entwickelt und gebaut. Einige von ihnen wurden auch von anderen Firmen wie Remington und Colt produziert. Er erhielt 128 Patente für 80 verschiedene Waffen. 

Als er starb, wurden alle Arbeiten in der FN als Zeichen der Trauer unterbrochen. Die Belegschaft zollte John Moses Browning Respekt, indem sie von ihm Abschied nahm, als dessen Leichnam im Vorstandszimmer aufgebahrt wurde.  

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die FN folgende Waffen gefertigt hat oder heute noch fertigt, die von John Moses Browning erfunden wurden: Pistole 1900, Pistole Grand Modèle (1903), Pistole 6,35 mm (1905), Pistole Modell 10 (1912), Pistole Modell 10/22 (1922), Pistole GP (1935), Selbstladeflinte Auto-5 (1903), Selbstlade-Jagdkarabiner (1910), Kleinkaliber-Selbstladekarabiner .22 (1914), Karabiner „Trombone“ .22 (1922), Bockdoppelflinte (1930) sowie mehrere Maschinengewehrmodelle.   

Die Firma Browning und die Fabrique Nationale  

Am 14. November 1927 wurde die Brown-ing Arms Company in Ogden gegründet (ab 1972 Name geändert in Browning). Ihr Sitz befindet sich heute in Morgan/Utah. 1977 wurden Browning und die FN firmenrechtlich eng miteinander verknüpft und arbeiten seither technisch und kommerziell zusammen. Heute gehört Browning komplett zur FN. 

Seit 1991 kenne ich die Geschichte von Browning aus eigenem Erleben. Der französische Rüstungskonzern GIAT mit Sitz in Paris kaufte seinerzeit die FN und mit ihr auch Browning USA und Browning Europa. Man hatte sich vorgenommen, die Marken Browning und Winchester zusammen strategisch durch Marketing und Vertrieb weltweit ganz nach vorne zu bringen. Das machte ja durchaus Sinn, wurden doch beide Namen schon im 19. Jahrhundert oft in einem Atemzug genannt. Mit dieser Vision kaufte GIAT anschließend auch die Winchester Waffenfabrik in New Haven/Connecticut und die Winchester Schrotpatronenfabrik in Anagni/Italien. Das Recht, den Markennamen Winchester für die dort produzierten Waffen und Schrotpatronen zu führen, wurde ebenso erworben wie der Exklusivvertrieb der metallischen Winchester-Munition in Europa. Letztere wurde und wird durch die Olin Corporation in East Alton/Illinois hergestellt, die auch den Namen Winchester besitzt. Olin ist ein Chemiekonzern in den USA und unterhielt bis in die 90er-Jahre hinein eine deutsche Niederlassung in Ratingen.  

Die unternehmenseigenen Filialen der Browning International S.A. aus Herstal/Belgien in Frankreich, England, Italien und Deutschland vertrieben in ihren jeweiligen Ländern Waffen, Munition und Outdoorprodukte der Marken Browning, Winchester und Miroku. Die deutsche Filiale hieß BW-Sport Vertriebsgesellschaft mbH und hatte ihren Sitz wie die Olin GmbH in Ratingen. Mit der Gründung von BW-Sport zog sich die Olin GmbH aus dem Munitionsgeschäft zurück. Bis zu ihrer späteren Auflösung handelte die Olin GmbH danach nur noch mit ihren Chemieprodukten. 

Die deutsche Browning-Filiale, gegründet 1991/1992, erlebte in den folgenden Jahren eine Blütezeit. Über ihre vielfältigen und erfolgreichen Aktivitäten im Jagd- und Sportsektor hinaus verkaufte sie schadstoffarme Winchester 9 mm Para-Munition an sechs deutsche Bundesländer. Was eine beachtenswerte Angelegenheit darstellte, denn damals war es eigentlich nur schwer vorstellbar, dass deutsche Polizeibehörden in den USA und nicht in Deutschland Munition einkauften.  

1997 wurde die FN mit Browning an die wallonische Regierung verkauft. Die Winchester Waffenfabrik in den USA sowie die Schrotpatronenfabrik in Italien wurden später geschlossen, ebenso – um die Jahrtausendwende – die europäischen Filialen. Die Teile für die heutigen Winchester Bockdoppelflinten-Modelle werden durch die FN gefertigt. In den Schlüsselländern von Europa werden die Endkunden durch ein Stützpunkthändlersystem mit den Marken Browning, Winchester und Miroku bedient, welches wiederum durch selbstständige Handelsvertreter in den Ländern vor Ort betreut wird. Die Browning Bockdoppelflinten und auch manche andere Modelle, soweit sie maschinengefertigt sind, werden bei Miroku in Japan produziert – dieses auch lange schon vor der Übernahme durch die wallonische Regierung. In Portugal gibt es darüber hinaus eine Browning Waffenfabrik, in der der Zusammenbau weiterer Modelle vorgenommen wird. Daneben existiert nach wie vor eine vollständige manuelle Fertigung von Browning Bockdoppelflinten in der FN in Herstal/Belgien. Auch die amerikanische Firma Browning gehört zur FN. Die Winchester Schrotpatronen werden fremdgefertigt, metallische Winchester Munition wird von Olin eingekauft. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es auch eine Olin-Produktion von Schrotpatronen gibt. Die Einfuhr nach Europa lohnt sich indessen nur für die höherpreisige Jagdmunition. Winchester-Randfeuerpatronen kommen aus den USA und aus Australien. 

Sowohl Browning USA als auch Browning Europa wie auch die FN gehören heute zur Herstal Group. Diese feiert 2014 ihr 125-jähriges Jubiläum, was genau genommen das Jubiläum der 1889 gegründeten FN ist. Browning wurde schon 1878 gegründet und ist somit elf Jahre älter.  

Eine spannende Geschichte, nicht wahr?  

Quellen- und Literaturangaben:

„La vie passionnante de John M. Browning“, FN (Herstal) 1978, Emjy, Claude Gaier 

www.wikipedia.de

„FN 100 YEARS, The story of a great Liège company 1889–1989“, FN (Herstal) 1989, Auguste Francotte/Claude Gaier

„Winchester – Eine amerikanische  Legende“, R. L. Wilson, Motorbuchverlag Stuttgart 1991  

Jubiläum

125 Jahre FN Fabrique Nationale Herstal

Jubiläum im belgischen Herstal: Die Geschichte des Unternehmens FN geht zurück bis in das Jahr 1889. Heute sind unter dem Dach der HERSTAL GROUP die Marken FN Herstal, Browning und Winchester Firearms (eingetragenes Warenzeichen der Olin Corporation) vereint. Die Herstal Gruppe produziert Waffen für Verteidigung, Ordnungskräfte sowie Jagd und Sport. DIE FLINTE gratuliert und widmet einen Beitrag über die Geschichte von John Moses Browning und seine legendäre Selbstladeflinte Auto 5

Detlef Richert
www.herstalgroup.com
www.browning.eu