Gedanken über die Pointability


Gedanken über die „Pointability“ ein Bericht aus der Zeitschrift die “DieFlinte” von Detlef Riechert

Nur eine Marketingidee?

Wer eine Flinte kaufen will, sollte sich das auch schon zu Zeiten gut überlegt haben, als der Begriff der „Pointability“ noch nicht in aller Munde war. Schließlich geht es um eine Anschaffung für eine längere Zeit, bei der man zwei oder drei Tausender oder noch mehr schnell los ist. Die „Falsche“ angeschafft zu haben und sie bald wieder zu verkaufen, kommt teuer zu stehen. Sie zu behalten, um kein Geld zu verlieren, heißt, sich selbst einem jahrelangen Frust auszusetzen. Aus dem englischsprachigen Raum ist der Begriff der „Pointability“ zu uns gekommen, der die Internetforen erreicht hat. Mancher hält die „Pointability“ für eine Marketingidee kluger Verkaufsstrategen.

Die Bedeutung des Wortes „Pointability“

Der Blick in ein englisch-deutsches Wörterbuch bringt keine Hilfe, denn man sucht die Vokabel dort vergebens. An der ­englischen Sprache fasziniert, dass oft in ­einem einzigen Wort ausgedrückt werden kann, worüber man im Deutschen lange Aufsätze schreiben muss. „Point­ability“ setzt sich aus den beiden Wörtern „(to) point“ und „ability“ zusammen. Ersteres bedeutet übersetzt „zeigen“, „deuten“ oder „richten“, das zweite die „Fähigkeit“ oder das „Können“. 

Die Bedeutung für den Flintenschützen

Um ein sich bewegendes Ziel zu treffen, stehen dem Flintenschützen seine Augen und seine Fähigkeit, mit seiner Flinte auf eine von ihm gewünschte Stelle zeigen zu können, zur Verfügung. 

Es geht hierbei um eine Fähigkeit des Flintenschützen.

Die kann aber nicht losgelöst von seinem Werkzeug Flinte gesehen werden. Wer je im unmittelbaren Vergleich verschiedene Waffen geschossen hat, weiß, wie verschieden sich das anfühlt. Die eine Flinte macht es einem ganz leicht, sie auf eine Wurfscheibe zu richten. Mit einer anderen geht es ein bisschen schwerer und eine noch andere will überhaupt nicht dorthin, wohin der Schütze sie führen möchte. Da man mit einer Flinte nicht zielt, sondern zeigt, sollte sie sich ohne große Mühe in die gewünschte Richtung lenken lassen. Wenn eine Flinte mit ihrer Seelenachse sozusagen von sich aus schon dorthin will, wohin sie soll, muss der Schütze nur noch einen minimalen Aufwand betreiben, wenn er seine Flinte zeigend in den Anschlag hebt.

Dann ist „Pointability“ die Fähigkeit einer Waffe – das gilt nicht nur für Flinten –, sich leicht lenken zu lassen. Also könnte man den Begriff übersetzen mit „Zeigfähigkeit“, „Zeigbarkeit“ oder „Lenkbarkeit“. 

Dabei geht es um eine Eigenschaft des Sportgerätes, die dem zentralen Anliegen der Bewe­gungen des Flintenschießens begegnet. 

Wenn es das Wort „pointability“ noch nicht gäbe, müsste man es erfinden. Es ist ein sehr wesentliches Merkmal einer Waffe, das konstruktionsbedingt feststeht, aber nicht von jedem Menschen in gleicher Weise zu nutzen ist. 

Wie entsteht eine „Pointability“?

Zunächst: Sie hat nichts mit der Schaftanpassung zu tun. Denn das Zeigen mit der Flinte beginnt lange, bevor der Anschlag in der Schulter und unter dem Jochbein vollendet ist. Hersteller und Konstrukteure folgen ihren besonderen Philosophien, um ihrer Flinte die Einzigartigkeit zu verleihen, die sie von den Modellen der Wettbewerber deutlich abhebt. Die Gesetze der Physik bilden den Rahmen und innerhalb dessen kann man mit dem Gesamtgewicht, der Balance, der Verteilung des Gewichtes entlang der Waffe, der Lauflänge und anderen Faktoren spielen. Für den Anwender ist es weniger wichtig, die technischen Gründe für die Entstehung der Lenkbarkeit zu kennen oder zu verstehen, als zu begreifen, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Flintenmodellen gibt.

Wer kann sie beurteilen?

Es ist nicht möglich, die „Pointability“ zu messen, weshalb Angaben über sie weder in Katalogen noch im Internet zu finden sind. Selbst wenn ein Hersteller die physikalischen Einflussgrößen beziffern würde, wäre das für den jeweiligen Anwender von zweifelhaftem Nutzen. Denn die „Pointability“ darf nicht zusammenhanglos ohne Berücksichtigung der Anatomie des Flintenschützen und der besonderen Eigenschaften des Individuums Mensch gesehen werden. Was dem einen als leicht lenkbar vorkommt, fühlt sich für einen anderen „schwergängig“ an. Die „­Pointability“ ist ein Charakteristikum der Flinte, aber sie ist auch abhängig von dem, der sie benutzt.

Jeder Schütze, unabhängig von seinem Leistungsstand, also auch ein Anfänger, kann seine Zeigbarkeit einer Flinte beurteilen, unter zwei Voraussetzungen:

  1. wenn er durch Schießen vergleichen kann,
  2. und zwar im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang!

In einem Ladenlokal oder auf einem Messestand die Zeigfähigkeit einer Flinte ­beurteilen zu wollen, kann höchstens die zweitbeste Lösung sein oder dient lediglich dazu, eine Vor­auswahl für den Schießstandtest zu treffen.

Man sollte sich nicht dem Trugschluss hingeben, nach der Anpassung des Schaftes werde eine nicht zufriedenstellende „Point­ability“ verbessert. Das eine hat mit dem anderen schlichtweg nichts zu tun.

Die Erfolgsformel lautet: Zuerst die Flinte mit der besten Lenkbarkeit auszusuchen und danach ihren Schaft individualisieren lassen. Das ist ein Prozess, der am besten professionell begleitet werden sollte.

Die Probe aufs Exempel

Die Auswahl der am besten lenkbaren Flinte könnte auf einem Schießstand mit den nachfolgend beschriebenen Schritten vorgenommen werden:

  • Die Gesamtdauer des Probeschießens sollte auf zwei Stunden begrenzt werden, um Ermüdungserscheinungen des Schützen vorzubeugen.
  • Nur eine Vorauswahl von maximal fünf Flinten kommt in den Test.
  • Es wird ausschließlich von Stand 7 des Skeetstandes auf die Niederhaustaube geschossen, also immer auf die gleiche, geradeaus wegfliegende Wurfscheibe.
  • Fünf bis zehn Schuss je Flinte genügen.
  • Zwischen den einzelnen Flinten sollten kurze Pausen eingelegt werden, um dem Schützen Gelegenheit zur Entspannung zu geben. Sie sollten andererseits nicht zu lang sein, damit ein zeitnaher Vergleich gefördert wird.
  • Der aus den fünf Flinten bestehende Durchgang sollte mindestens einmal wiederholt werden.

Der Schütze beurteilt aufgrund seines Gefühls, das ihm während des Schießens durch die jeweilige Flinte vermittelt wird. Zur Absicherung sollte ein Beobachter anwesend sein, der die Bewegungen der Seelenachsen mit seinen Augen verfolgt.

Fazit

Die „Pointability“ ist keine Marketingidee, die zum Zwecke der Absatzsteigerung erfunden wurde. Die verschiedenen Lenkbarkeiten von Flinten gibt es tatsächlich. Ihnen größte Beachtung zu schenken, wird sich hundertfach auszahlen. 

Text: Detlef Riechert