Eigentlich braucht es keinen Grund, um in die Toskana zu reisen, da ?das Land, die Leute und die Landschaft einem schon genügend Gründe liefern, ?um dort ein paar schöne Tage zu verbringen. Unser Anlass war aber ein anderer. Die Firma Beretta hatte bekannt gegeben, in der Toskana die neue Flinte 690 vorzustellen und lud dazu Redakteure aus der ganzen Welt ein. So durften auch wir uns die neue 690 Field III anschauen und damit auf den Parcours gehen.
Lokation
Die Präsentation fand in der traumhaften Hotelanlage des Castello Monastero in der Nähe von Sienna statt. Nachdem alle Fachjournalisten eingetroffen waren und sich bei einem Drink am Pool begrüßt hatten, ging es mit dem Bus auf eines der drei Weingüter der Familie Beretta, wo man einen wunderbaren Sommerabend zusammen verbrachte und neue Kontakte knüpfen konnte.
Beretta
Bevor wir auf die Flinte eingehen, muss man ein paar Worte über den Beretta-Konzern verlieren. Es ist kaum zu glauben, aber der 3.000 Mitarbeiter starke Konzern hat eine Firmengeschichte, die bis auf das Gründungsjahr 1526 zurückreicht und mit zu den ältesten Unternehmen der Welt gehört. Der Gründer war Bartolomeo Beretta, der den Grundstein für diese außergewöhnliche Firma legte. Noch erstaunlicher ist es, dass das Unternehmen auch heute noch in Familienbesitz ist und im Grunde auch nur drei Personen gehört. Ugo Gussalli Beretta und seinen Söhnen Pietro und Franko Beretta, die sich die Firmenbereiche aufgeteilt haben und durchaus im Tagesgeschäft noch Einfluss nehmen. Neben den eigenen Marken gehören noch verschiedene Marken wie Steiner, Sako, ?Tikka, Benelli, Franchi und Burris zur ?Beretta Holding. Die Strategie des Konzerns ist so einfach wie komplex. Beretta macht sich zum Ziel, so automatisiert wie möglich die größtmögliche Qualität zu erreichen. Das soll aber keineswegs bedeuten, dass Beretta nur Massenware fertigt. Gerade mit den Seitenschlossflinten SO5 und SO10 zeigt Beretta, dass in der industriellen Fertigung auch immer noch ein gutes Stück Büchsenmacherkunst steckt.
Jedes Jahr erweitert Beretta seine Palette oder verfeinert bestehende Produkte. Bis 2017 will Beretta 24 Millionen Euro in die Entwicklung und Verbesserung von 94 Produkten stecken. Da kann man gespannt sein, was da noch kommt. Was wir mit Bestimmtheit sagen können ist, dass eine neue Generation von Flinten die 68X-Reihe ablösen wird, die man eher aus dem jagdlichen Bereich kennt. Die 680er-Reihe ist jedoch auf vielen Ständen anzutreffen, da ja viele Jäger auch Sportschützen sind und oft mit ein und derselben Flinte schießen. Die bekannteste dürfte die 686 Silver Pigeon sein, die sich in Deutschland großer Beliebtheit erfreut.
Mit der neuen 690er-Reihe wird ein neues Flintenkapitel aufgeschlagen. Einen Kandiaten kennen wir ja schon. Die 692, die auch als kleine Schwester der DT11 gehandelt wird, war schon das erste Signal aus Gardone, dass was Neues kommt. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Komponenten bzw. Eigenschaften der 692 auf die 690 übertragen wurden oder wiederzufinden sind.
Nimmt man die Flinte in die Hand, hat man direkt einen sehr wertigen Eindruck. Das liegt zum einen an den sehr schönen und üppigen Gravuren und zum anderen an dem Schaftholz der Klasse 2,5+, die man bei einer Flinte der Preisklasse bei etwas weniger als 3.000 Euro nicht unbedingt vermuten würde. Man hat sofort Lust, mit der Flinte zum Schießstand zu gehen, um zu testen, ob die 690 Field III sich genauso gut schießt wie sie aussieht. Doch vorher schauen wir uns die Flinten nochmal genauer an. 50.000 Testschüsse und 3.000 ?Ingenieursstunden stecken in der 690, die erstmal im Kaliber 12 angeboten wird. Eine sehr interessante Variante im Kaliber 20, sowie ein Modell Sporting sollen in den nächsten Monaten folgen und runden dann die 69X-Reihe ab.
Wie schon erwähnt, finden sich bei der ?690 so einige Features wieder, die auch schon in der 692 Anwendung gefunden ?haben. Dazu gehören vor allem die ?OCHP-Steelium-Läufe, die auch als Pro-Version in der DT11 verbaut sind. Zu den eingeschraubten Wechselchokes liefert Beretta noch drei weitere mit, und somit stehen dem Schützen die Chokes in den Varianten FULL *, IM **, M ***, IC **** und CYL***** zur Verfügung und lassen damit keine Wünsche offen.
Die 690 wird in drei verschiedenen Lauflängen angeboten. 67er-, 71er- und 76er-?Läufe sind erhältlich, und je nach Lauf beläuft sich das Gewicht der Flinte dann auf 3,35 kg (+/- 100 g ), was für die Damen und für Herren ein guter Kompromiss für Schießstand und Jagd darstellt. Der Schaft wird in zwei Senkungen (35/55 und 38/60) angeboten, die für die allermeisten Schützen keine Probleme darstellen sollten, allerdings die Maßschäftung nicht ersetzen kann. Die 690 kann voraussichtlich wahlweise mit einer automatischen oder manuellen Sicherung geliefert werden, was durchaus Geschmackssache ist. Zum Schluss bleibt noch der Ejektor, der durch eine kleine Schraube am Verschluss der Läufe aktiviert oder deaktiviert werden kann. Nun aber endlich auf den Schießstand!
Parcoursschießen
Als Parcoursstand diente der ASDL Laterina Shooting Range, auf dem schon diverse Weltcups ausgetragen wurden. Dort angekommen, gab es, wie so oft in diesen Tagen, erstmal eine kleine Stärkung. An dieser Stelle muss man einfach mal anmerken, dass die Versorgung grandios war und die Italiener ihrem Ruf, gute Gastgeber zu sein und eine gute Küche zu haben, in vollem Umfang gerecht wurden. Einfach Klasse!
Die knapp 40 Redakteure wurden, sortiert nach ihrer Nationalität, in sechs Rotten eingeteilt. Es wurden drei Stände ausgesucht, an denen die Rotten schossen, und die getroffenen Wurfscheiben wurden pro Rotte addiert. Amtierende Schießlehrer durften nicht mitschießen. Das war sehr bedauerlich, da wir im deutsch-dänischen Team Christian Schulte als hervorragenden Schießtrainer gut hätten gebrauchen können. Ohne ihn kamen wir nur auf den dritten Platz, was aber angesichts der starken Konkurrenz in Ordnung war. Den ersten Platz belegten die Kollegen aus England.
Darauf folgte ein Stechen innerhalb der Siegerrotte auf dem Compaktstand. 25 Wurfscheiben wurden geschossen und zu guter Letzt gewann Mike Yardley mit 24 von 25 Tauben und zeigte wieder mal, dass er nicht nur als Redakteur, Buchautor und Fachmann für Schießtechnik sondern auch als Schütze große Fähigkeiten besitzt. Bei der Siegerehrung stand dann neben Mike Yardley der Brite Joe Dimbleby auf dem zweiten Platz und den dritten Platz belegte Alistair Balmain, der ebenfalls aus UK kommt. Somit stand auch zweifelsfrei die Siegernation fest. Zwischen den Zeilen kann man schon sehr gut lesen, dass der Spaß und nicht der Sieg im Vordergrund stand. Auch wenn im letzten Stechen die Nerven schon ein wenig blank lagen und sich einige Fehlschüsse einschlichen, war der Sinn ja eigentlich, die 690 in der Praxis kennenzulernen.
Schussverhalten
Wie schon die 68X-Serie, liegt die 690 wunderbar in der Hand. Für die einzelnen Stände standen immer Flinten mit der Lauflänge 76 zur Verfügung. Das Schwungverhalten ist sehr ausgewogen und für Parcours- und jagdliches Wurfscheibenschießen gut geeignet. Die technische Ausstattung ist einwandfrei und mehr als man eigentlich für den Preis erwarten darf. Bei der Frage nach dem Preis gab es unterschiedliche Antworten. Der Preis wird so um 2.900 Euro liegen. Einen genauen Wert wird man aber erst bekommen, wenn die Flinte auf den Markt kommt. Darauf muss man aber nicht mehr lange warten. Die ersten Flinten sollen schon im August verfügbar sein.
Der Name 690 Field III lässt hoffen, dass es noch weitere Varianten gibt. So kann man davon ausgehen, dass es eine Field I und eine Field V geben wird, die sich dann weniger in Ausstattung, sondern mehr im Finish unterscheiden wird. Etwas mehr „Chichi“ wird sich dann natürlich auch im Preis widerspiegeln.
Sehr interessant für die Parcoursfreunde unter uns wird das Modell 690 Sporting werden. Dazu gab es aber noch keine genauen Angaben. Es ist zu erwarten, dass die Sporting etwas schwerer sein wird und idealerweise einen verstellbaren Schaftrücken hat. Zu guter Letzt bleibt dann noch die 20er-Variante, die man auch schon sehen aber nicht anfassen durfte, da es sich nur um einen Prototypen handelte.
Mit der 690er-Reihe wird ein neues Kapitel bei Beretta aufgeschlagen. Es geht aber auch die 680er-Ära zu Ende, die für Beretta sehr erfolgreich war. Technisch wird die neue 690 Field III mit Sicherheit eine hohe Akzeptanz und einen schnellen Erfolg bei den Schützen bringen, und es gibt sichere Anzeichen, dass mit der 690 Field III ein würdiger Nachfolger in die Fußstapfen der Silver Pigeon & Co. steigt. Zwei wundervolle Tage gehen zu Ende und man weiß mit einem Augenzwinkern gar nicht, was schöner war: die neue Flinte von Beretta oder die Toskana.
Ciao, bella Italia!
Text: Dominik Allartz
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„Drehen sticht Anschlagen“ „Auf den Anschlag kommt es an!“ ist das erste, was ein Anfänger üblicherweise über das Flintenschießen erfährt. Der Anschlag ist zwar wichtig, aber es gibt etwas anderes, was mindestens genauso wichtig ist, weil „es“ einen guten Anschlag überhaupt erst ermöglicht. Anders herum ausgedrückt bedeutet das: Ohne „es“ ist ein korrekter Anschlag kaum machbar.