Über Christian Schulte gibt es manches zu berichten, aber als ich ihn vor langer Zeit kennenlernte, haben mich vor allem zwei Dinge sehr beeindruckt. Ich weiß nicht mehr, wie viele Jahre es her ist, als ich zum ersten Mal an einem seiner Flintenseminare teilnahm. Er ließ uns auf eine am Boden liegende Wurfscheibe schießen, und er sprach von einem anderen als dem Pivot-Anschlag, nämlich dem parallel-synchronen! Wer damals im Rahmen der Jagdausbildung eine Prüfung mit der Flinte abgelegt hat, wusste, die Mündung hat vorne hoch zu sein und der Schaft hinten tief am Hüftknochen anzuliegen.
Christian war der erste, den ich traf und der die Anschlagtechnik anders lehrte. Mit der Flinte gar auf ein Ziel zu schießen, dass sich nicht bewegte, mögen manche seiner Seminarteilnehmer als Provokation empfunden haben, waren sie es doch von Anfang an gewohnt, die Schrote schnell von ihnen wegfliegenden Trap-Tauben hinterherzuschicken. Wenn sie diese oft genug getroffen hätten, wären sie kaum von weit her zu Christians Seminaren angereist. Christian Schulte erschien mir als Revolutionär, wenn ich seine Lehre mit der gängigen (Jagd-)Schießausbildung in Deutschland verglich. Stolz bin ich auf eine spätere Begebenheit, als ich einen mir unbekannten Jungjäger beim Flintenschießen beobachtete. Ich ging zu ihm hin und sagte ihm „auf den Kopf zu“: „Sie haben bei Christian Schulte gelernt.“ Das erstaunte Gesicht sehe ich noch heute vor mir, war aber meinerseits überhaupt nicht überrascht, als mein Gegenüber bestätigend mit dem Kopf nickte.
Deutsche Individualität
In Deutschland sind Flintentrainer ausgeprägte Individuen. Weil es eine breite und einheitliche Ausbildung der Ausbilder hier nicht gibt, musste jeder seinen eigenen Weg finden und gehen. Dabei hat ein jeder eine andere und persönliche Herangehensweise an das Thema Flintenschießen herausgebildet. Die Vielfalt des Angebotes bietet dem nachfragenden Schützen mehrere Seiten ein und derselben Medaille. Im Leben muss nicht immer alles gleich geschaltet sein, und im Flintenschießen schon gar nicht. Christian Schulte pflegt zu sagen: „Wer trifft, hat recht.“ Man kann gerade aus den Unterschieden seinen Nutzen ziehen und wird es spannend finden, verschiedene Konzepte und Strategien kennenzulernen. Unsere größere Individualität hat ihren Preis. Gute Trainer gibt es nicht viele in Deutschland – da ist das englische System klar im Vorteil, das mit großen Verbänden und Institutionen den Weg in ein Trainerleben erleichtert, strukturiert, ebnet. Zwangsläufig werden auf diese Weise mehr professionelle Instruktoren und Coaches geboren, als wenn man mehr oder weniger auf sich allein gestellt all das zusammensuchen muss, was einen zum guten Lehrer macht. Ob man als lernwilliger und neugieriger Schütze „seinen“ Trainer findet, ist hier wie dort und überall eine Frage der Transparenz. Die ist in England konsequenterweise um einige Potenzen höher als bei uns. Mit unseren Ausbilderporträts wollen wir einen ersten Schritt machen, dies zu ändern.
Background
Christian Schulte ist ein Urgestein der Flintenszene. Manche kennen ihn noch aus der Kettner-Filiale in Ratingen. Die war bekannt für fachkundige Mitarbeiter, die allesamt gut und gerne mit der Flinte schossen. Filialleiter (und damaliger Kreisschießobmann) Friedhelm Kohnen hatte sie um sich geschart. „Wie der Herr, so das Gescherr“ – sagt der Volksmund und das traf auf Kettner Ratingen in schönster und positivster Manier zu. Christian wurde von seinem damaligen Chef gefördert und hatte das große Glück, auch unter Anleitung des Olympia-Goldmedaillen-Gewinners im Skeet-Schießen, Conny Wirnhier (München 1972), zu trainieren. Christian Schultes Karriere als Wettkampfschütze im jagdlichen Schießen zählt nicht nach Jahren, sondern nach Jahrzehnten. Seine Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesmeistertitel aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Heute ist Christian Schulte Beretta-Produktmanager in der Manfred Alberts GmbH in Gummersbach-Wiehl. Wenn er über Verschlüsse philosophiert, wird es nicht langweilig, ihm zuzuhören, so trocken die Materie im Grunde genommen ist. Seine Rednerfähigkeit stellt er stets unter Beweis, wenn er für Landrover Vorträge hält. Mit je einem Laserpointer in der rechten und linken Hand bewaffnet, hat Christian schon Autohäuser mit Flintenschützen gefüllt und sie in seinen Bann gezogen. Auch auf Messen demonstriert er das Flintenschießen und führt Flintenseminare auf den verschiedensten Schießständen durch.
Wettkampfschießen ?versus Trainertätigkeit
In England sagt man, dass ein erfolgreicher Wettkampfschütze nicht unbedingt ein guter Ausbilder sein muss, sondern dass im Gegenteil eine sehr geringe bis gar keine Korrelation zwischen Erfolgen in Wettkämpfen und Erfolgen in der Ausbildung besteht. Das hat eine simple Erklärung. Von einem Wettkämpfer werden andere, ja konträre Eigenschaften verlangt als von einem Ausbilder. Der Wettkämpfer muss auf sich selbst fixiert sein, der Ausbilder ist ausschließlich fixiert auf seinen Schüler. Hinzukommt, dass man einem anderen nicht das Flintenschießen beibringen kann, indem man es ihm vormacht. Wenn das so wäre, müssten erfolgreiche Formel-1-Rennfahrer die besten Fahrlehrer sein. Um erfolgreich ausbilden zu können, müssen bestimmte und ganz andere Fähigkeiten und Kenntnisse als die eines Wettkämpfers vorhanden sein. Christian Schulte besitzt das Können, anderen das Flintenschießen zu erklären und zu vermitteln. So scheut er sich nicht, sein Institut als „Schule“ und sich selbst als Lehrer zu bezeichnen. Ich kenne Flintentrainer, die diese Ausdrücke vermeiden, was ich persönlich als falsch erachte. Wer gut schießen können will, muss es lernen, und dazu benötigt er unverzichtbarer Weise einen Lehrer. Es bedarf klarer Anleitungen auf der einen und einer guten, umgehenden Umsetzung auf der anderen Seite.
Fazit
Nach einem Flintenseminar in Mayen vor vielen Jahren schrieb ich an den Veranstalter: „Christian Schulte ist nicht nur ein hervorragender Schütze, sondern er kann sein Wissen sowohl theoretisch als auch praktisch so eindrucksvoll wiedergeben, dass man es selbst wirklich umsetzen kann. Seine Theorie des Flintenschießens ist einleuchtend und überzeugend. Der eigene Erfolg wird in Ansätzen sofort, das heißt noch während des Seminars sichtbar.“ Das war damals so wahr wie heute. Christian Schulte geht den Dingen auf den Grund. Seine tiefen Kenntnisse des Flintenbaus, seine ausgeprägten Fertigkeiten als Flintenschütze und die gedankliche Durchdringung der Bewegungsabläufe sind seine Basis. Aber erst seine kommunikativen Fähigkeiten versetzen ihn in die Lage, sein Wissen anderen zu vermitteln und sie zum Erfolg zu führen.
Text: Detlef Riechert Foto: Christian Schulte
Kontakt:
Christian Schulte Brunnenstraße 86 40764 Langenfeld
„dieflinte“: Herr Schmidt-Colberg, ich freue mich sehr, dass Sie uns für dieses Interview zur Verfügung stehen. Herzlichen Dank! Sie sind der dienstälteste CPSA (Clay Pigeon Shooting Association) Senior Coach in Deutschland, richtig? Und einer der wenigen hauptberuflichen Flintentrainer in unserem Land, oder sogar der Einzige?
Legenden der Waffentechnik – John Moses Browning und seine Auto-5
Die Flinte Ausgabe 2/2014
John Moses Browning wurde am 23. Januar 1855 in Ogden, Utah, als Sohn eines Büchsenmachers geboren. Im zarten Alter von 13 Jahren baute er aus Ersatzteilen eine Büchse für den Geburtstag seines Bruders. Er war gerade mal 24 Jahre alt, als die US-Behörden ihm sein erstes Patent erteilten. Im Laufe seines Lebens waren es insgesamt 128 Patente zur Waffentechnik, die ihm verliehen wurden.
„Ankuscheln“ statt „anschlagen“! (Teil 2) – In zehn Schritten zu einer guten Anschlagtechnik
„DieFlinte“ Ausgabe 4/2014
„An eine große Aufgabe sollte man herangehen wie ein Hund. Viele kleine Lecker machen die Schüssel leer“, sagt ein Botswana-Zitat. Wenn man einen Sport erlernen will, tut man gut daran, die Bewegungen in kleine Schritte zu zerlegen und jeden Schritt für sich zu üben. Es wäre wenig sinnvoll, wenn ein Anfänger beispielsweise auf einen Trap-Stand ginge und versuchen wollte, auf Wurfscheiben zu schießen, die in alle Richtungen von ihm wegfliegen.