Ich hörte zum ersten Mal von unserem Chefredakteur Detlef Riechert von einer Cosmi. Er sprach von einem Kipplauf-Selbstlader, was ja eigentlich per Definition schon gar nicht zusammenpasst. Ich bin der Sache auf den Grund gegangen und habe mich auf die Suche nach einer Cosmi gemacht.
Der erste Weg führt natürlich immer über das Internet. Die Website der Firma Cosmi ist eher dürftig und gibt wenig Informationen über diese außergewöhnliche Flinte.
Schließlich bekam man dann doch ein paar Hinweise über diese in Deutschland fast unbekannte Marke.
Historie
Die Firma Cosmi fertigt diese Kipplauf-Selbstladeflinte seit 1929. Der Familienbetrieb liegt in Ancona in Italien und steht für edelste Büchsenmacherkunst. Nur – wo bekommt man nun so eine Flinte her? Ich fragte einen guten Bekannten, der wiederum einen guten Bekannten fragte und irgendwann hatte ich Herrn Mantel aus Nürnberg an der Strippe.
Da Herr Mantel den Vertrieb dieser durchaus exotischen Flinten ab 2014 für Deutschland, Österreich und die Schweiz übernehmen wird, war es ihm möglich, uns kurzfristig zwei Testwaffen zur Verfügung zu stellen. Nach einigem „Hin und Her“ bekamen wir dann die Flinten fast auf den Tag genau für unseren Waffentest aus Italien zugeschickt.
Technik
Eine Betriebsanleitung hätte die Sendung noch abgerundet. Trotz einer großen Anzahl von gut ausgebildeten Ingenieuren und Kennern der Waffenbranche standen erstmal alle ratlos kopfschüttelnd vor der Flinte. Sie stellte uns alle vor eine fast unlösbare Aufgabe: Wie bekommt man eine Patrone in das Patronenlager? Nicht nur, dass man das Patronenlager nicht sehen konnte, es lag auch noch unerreichbar hinter einer Anzahl von Hebeln und Stangen.
An der Unterseite des Verschlusses liegt eine Vielzahl von Stangen und Hebeln. Ein beherzter Zug an dem mittig liegenden Hebel befördert die Mechanik nach oben und legt das Patronenlager frei.
Nun konnten wir eine Patrone in das Patronenlager legen. Die weiteren Patronen wurden in der Basküle in ein Röhrenmagazin geschoben. Die Patronen verschwinden dann im Gegensatz zu einem „normalen“ Automaten in dem Schaft. Bis zu acht Patronen soll ein solches Magazin beherbergen. Unsere Modelle waren für den Deutschen Markt mit einem Magazinbegrenzer ausgestattet. Ein beiliegendes Werkzeug erlaubt es, die Begrenzung auf drei Patronen für den ausländischen Markt aufzuheben.
Hat man das Magazin gefüllt, schiebt man die Mechanik wieder auf das Patronenlager und schließt die Flinte.
Nun hat man eine wunderbar austarierte Flinte in der Hand. Ewas ungläubig lässt man nun den ersten Schuss durch den Lauf. Die Cosmi schießt wunderbar weich, die Mechanik wirft die Patrone aus und lädt zuverlässig die nächste aus dem Röhrenmagazin nach.
Auch nach ein paar Runden staunten immer noch alle Flintenfans über diese einzigartige Technik und es dauerte ein wenig, bis alle sich damit anfreunden konnten. Es ist halt kein herkömlicher Automat und auch keine Kipplauf-Flinte. Es ist beides!
Ein genauerer Blick in die Mechanik zeigt dann die Genialität der Cosmi-Erfinder. Was auf den ersten Blick kompliziert und anfällig aussieht, ist in Wahrheit relativ simpel und robust. Der Rückstoßlader hat eine Art Schlitten, der an der Oberseite des Verschlusses nach vorne und nach hinten fahren kann. Nach dem Schuss wird der Schlitten nach hinten gestoßen. Dieser wirft dann die leere Hülse aus und aus dem Röhrenmagazin aus dem Baskülenboden wird die nächste Patrone nachgeführt. Das ganze System wirkt ziemlich aufwendig, weil man die komplette Mechanik öffnet, um das Röhrenmagazin im Schaft zu füllen. Geht man etwas sachlicher an die Cosmi ran, merkt man schnell, dass die Mechanik und Philosopie relativ einfach und robust sind.
Handwerkskunst
Da man sich sofort mit der ungewöhnlichen Mechanik beschäftigt, fällt einem die erlesene Handwerkskunst erst im zweiten Moment auf. Die Basküle wird aus dem Vollen gefräst und dann in vielen Arbeitsschritten bearbeitet. Das Finish der Metallteile ist höchste Büchsenmacherkunst und lässt vermuten, dass eine Cosmi mit viel Handarbeit gefertigt wird.
Die Verarbeitung des Lackschafts ist ebenfalls von höchster Güte und die Gravuren an der Unterseite der Basküle zeugen von außergewöhnlicher Büchsenmacherkunst. Die Flugwildmotive zeigen wohl auch, wo die Flinte ihren ursprünglichen Einsatzort hat. Wer eine Cosmi sein Eigen nennen darf, besitzt nicht nur eine außergewöhnliche Waffe, sondern auch ein Meisterstück in puncto Büchsenmacherkunst.
Schießverhalten
Hat man sich mit dem Ladevorgang angefreundet, kann man die Waffe schnell und zügig laden wie andere Automaten auch. Schließt man die Waffe, hat man eine sehr ausgewogene Flinte, die durch die massiven Metallteile sehr ruhig und fast stoisch in den Anschlag geht. Das Gewicht von 3,8 Kilogramm (ungeladen) wird natürlich durch die Anzahl der geladenen Patronen noch ergänzt. Dadurch, dass diese in den Schaft geladen werden, stört das die Balance überhaupt nicht. Durch das lange Röhrenmagazin, welches noch 17 Zentimeter auf dem Baskülenboden bis in das Patronenlager reicht, liegen die Patronen eher mittig als im Schaft. Nach dem Anschlag schwingt die Cosmi sehr schön mit dem Schützen. Ihre Stärken spielt die Cosmi mit stärkeren Ladungen aus. Obwohl unsere beiden Testwaffen mit Federn ausgestattet waren, die erst ab 28 g Schrotvorlage funktionieren, haben wir alles von 24 bis 36 Gramm in die Cosmi geladen. Die 24-Gramm-Patronen konnten dann auch tatsächlich durch den geringeren Rückstoß nicht den Schlitten zum Nachladen überreden. Bei den stärkeren Vorlagen repetierte die Cosmi dann sehr zuverlässig die nächsten Patronen nach. Bei den stärkeren Ladungen schoss die Cosmi immer noch sehr angenehm. Eine hohe Anzahl von Schüssen wirkte auf den Schützen nicht ermüdend.
Zuverlässiges Arbeitstier
Die Cosmi mauserte sich über den Tag als wahres Arbeitstier. Immer wieder wurden die beiden Waffen weitergereicht und jeder „rodelte“ auf dem Automaten rum. Es gab nicht eine Fehlfunktion, auch wenn man das anfangs bei der kompliziert wirkenden Mechanik vermutet hätte. Aber da sich ja herausgestellt hat, dass die Technik weder kompliziert noch anfällig ist, haben wir die Cosmi als äußerst zuverlässige Waffe schätzen gelernt. Mehrere Hundert Schuss ohne Störung an einem Tag sind kein Problem. Das haben wir bei anderen Automaten schon anders erlebt.
Fazit
Eine Cosmi ist eine so besondere Waffe, dass ein Urteil unmöglich ist. Hier geht es nicht um gut oder schlecht, sondern darum, dass wir es hier mit einem absoluten Exoten zu tun haben, der jeden Flintenliebhaber verzücken wird. Wer sich mit dem Gedanken trägt, eine Cosmi zu erwerben, hat die Wahl zwischen den Kalibern 12 und 20. Der Preis liegt bei 12.500 Euro und kann je nach Ausstattung und Gravuren auch deutlich darüber liegen.
Mit einer Cosmi zeigt man auf dem Schießstand auf jeden Fall, dass man nicht zu den Schützen gehört, die sich am Mainstream orientieren, sondern den Mut hat, mal etwas Außergewöhnliches zu wagen. Man ist auf jeden Fall Gesprächsthema Nr. 1 und man hat viele neue Freunde, weil jeder – absolut jeder – mit dieser wunderbaren Waffe mal schießen möchte.
Kommentar Cosmi
Beim Auspacken und Zusammensetzen wird sofort klar: Das Beste ist gerade gut genug für Cosmi. Hervorragende Verabeitung und perfektes Finish, unglaublich komplexe und dabei vollständig polierte Kipplauf-Lade-Mechanik, die jedem Technikaffinen das Wasser im Munde zusammen laufen läßt. Die komplexe Mechanik erfordert ein Mindestmaß an Rückstoßenergie, die man bei der Schussabgabe auch deutlich zu spüren bekam. Somit erreichte meine Ehrfurcht vor der Cosmi sofort den nächst höheren Level. Geht hier eigentlich noch mehr? Ich glaube nein. Vergleichbar mit einem englischen Roadster aus den 60zigern, den man nur zu besonderen Anlässen aus der Garage holt.. Thomas Link
Technisch faszinierende Flinte, das Laden der Patronen empfand ich als reichlich hakelig, mit 36g-Patronen sollte man einen exakten Anschlag beherrschen, ansonsten wohl ausgewogen, führig und edel. Ronald W. Strang
Text und Bilder Dominik Allartz
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